STILLEN

Langzeit-Stillen

Du stillst seit einigen Monaten, genießt diese innige Zeit mit Deinem Kind und denkst darüber nach, wie lange Du gern stillen magst und wie lange Du überhaupt stillen darfst?
Mit diesen Gedanken und auch ambivalenten Gefühlen bist Du nicht allein. Immer wieder gehen Wertungen zum Stillen älterer Kinder durch die Medien und selbst einige Fachpersonen geben hierzu unterschiedliche und zum Teil persönlich eingefärbte Informationen. Dieser Artikel soll Dir helfen, eine für Dich passende, gut informierte Entscheidung gemeinsam mit Deinem Stillkind zu treffen.

Wie lange ist das Stillen denn normal?

Die WHO hat 2009 ihre Empfehlung für 6 Monate ausschließliches Stillen ausgesprochen und das, nachdem sie dazu 2.000 Studien aus Entwicklungsländern und Industriestaaten systematisch gesichtet hat. Der internationale Standard lautet: " Ausschließliches Stillen in den ersten 6 Monaten mit daran anschließender Einführung geeigneter Beikost und das Fortsetzen des Stillens bis zum Alter von zwei Jahren oder darüber hinaus."

Stillen im ersten Lebensjahr

Sobald Dein Baby die Mitte des ersten Lebensjahres erreicht hat, wird es Dir mitteilen, dass Dein Essen sehr interessant ist und wenn es nicht davon probieren darf, wird es Dir dies ebenfalls mitteilen. Jetzt ist das Signal da, neue Nahrungsmittel neben der Muttermilch auszuprobieren. Deine Muttermilch hat weiterhin ihren wichtigen Wert für Dein Baby, denn nur mit der beginnenden Beikost wird es seinen Kalorienbedarf nicht decken können, sowie Eiweiße, Vitamine und Mineralien aufnehmen, die es jedoch für seine Entwicklung dringend benötigt. In den kommenden 6 Monaten und auch mehr, lernt Dein Kind die feste Nahrung nach und nach kennen und benötigt in dieser Zeit Deine Muttermilch. Der Immunschutz und die Entwicklung des Zentralnervensystems werden im zweiten Halbjahr durch Deine Muttermilch fortgesetzt und diese Auswirkungen lassen sich während der gesamten Kindheit und auch im Erwachsenenalter noch beobachten.

Warum reagieren sehr viele Menschen ablehnend, wenn Stillkinder älter als 1 Jahr sind?

Seit ca. 200 Jahren gibt es neben der natürlichsten Säuglingsernährung mittels Stillen an der mütterlichen Brust die Flaschenfütterung von künstlicher Säuglingsmilch. Die Einführung der Milchpulver führte in den westlichen Ländern schnell zu einer geringeren Stillrate, hauptsächlich in Familien höherer Einkommensklassen. Die Flasche mit der Säuglingsmilch löste das Ammentum ab. Was die Wohlhabenden sich leisten können wirkt immer sehr verlockend und vermittelt einen gewissen Status, was die Stillbereitschaft insgesamt reduziert.

Da sich mit diesen Pülverchen auch gutes Geld verdienen lässt, stellt die Vermarktung auch einen Gewinn für die Wirtschaft dar und die Märkte wurden schnell erweitert.

Somit gab es die Empfehlungen auch durch Fachpersonen und das Wissen zur Zusammensetzung der Muttermilch war sehr gering. Als es dann in den 70er Jahren aufgrund mangelnder Hygiene zu einem zahlreichen Säuglingssterben in Afrika kam, wurde die Rolle der Muttermilch für das Überleben der Babys interessant. Ab diesem Zeitpunkt gab es Initiativen und internationale Aktivitäten, die das Stillen der Säuglinge weltweit schützen und fördern sollen. Auch die Forschungen zum Thema nahmen Fahrt auf und heute wissen wir so viel mehr über die Bedeutung der Muttermilch und den Stellenwert der Stillbeziehung zwischen Mutter und Kind.

Aber lang Trainiertes und Vertrautes vermittelt Sicherheit - "damit kennt man sich aus"

Und noch immer sind selbst zahlreiche Fachpersonen nicht ausreichend im Bereich des Stillens ausgebildet oder vermitteln persönliche Meinungen. Auch die Werbung in allen Medien vermittelt noch immer, dass es ab einem bestimmten Alter des Kindes unbedingt eine andere Milchnahrung, als Muttermilch braucht. Das Bild einer stillenden Mutter mit einem ca. 3-4 Monate alten Babys mag schon vertrauter wirken, als das Stillen eines einjährigen oder zweijährigen Kindes. Dafür braucht es vielleicht nochmals 100 Jahre?

Stillen im zweiten Lebensjahr Zwischen dem 12. und 23. Lebensmonat decken 448 ml Deiner Muttermilch folgenden Bedarf Deines Kindes pro Tag:
  • 29% des Energiebedarfs
  • 43% des Eiweißbedarfs
  • 36% des Kalziumbedarfs
  • 75% des Vitamin-A-Bedarfs
  • 76% des Folsäurebedarfs
  • 94% des Vitamin-B12-Bedarfs
  • 60% des Vitamin-C-Bedarfs
Wichtig für die Bewertung der Nährstoffe in Deiner Muttermilch ist nicht die Menge derer, die enthalten sind, sondern deren Bioverfügbarkeit. Denn was bringt es Deinem Kind, wenn es zwar reichlich Nährstoffe erhält, diese aber nicht verwerten kann? Etwa 43% des Eisenbedarfs zwischen ein und zwei Jahren kann durch Muttermilch gedeckt werden. In der Muttermilch selbst ist der Gehalt an Eisen zwar niedriger, als in Kuhmilch, wird aber vom Kind bis zu 50% aus der Muttermilch aufgenommen und verarbeitet. Bei Aufnahme von Kuhmilch können nur ca. 4% des Eisens vom Kind verwertet werden. Die Immunfaktoren in Deiner Muttermilch nehmen nach dem 6. Lebensmonat zu. Bisher liegt die Vermutung nahe, dass es mit der etwas reduzierten Aufnahme von  Muttermilch zum Zeitpunkt der Beikosteinführung in Zusammenhang stehen könnte, aber auch mit der motorischen Entwicklung der Babys, die sie mobiler werden lässt. Ab diesem Zeitpunkt benötigen die Kinder den optimalen Schutz, um gesund zu bleiben.
Wann stillt ein Kind sich selbständig ab?

Es gibt hin und wieder Berichte von sehr jungen Babys, also in den ersten 2 bis 4 Monaten, die sich selbständig abgestillt haben. Schaut man sich diese Berichte näher an und hinterfragt, zeigt sich schnell, dass diese Babys häufig mit der Flasche zugefüttert wurden oder mit 3 bis 4 Monaten eine Art "Stillstreik" vollzogen haben, welcher als ein Signal des Abstillens gedeutet wurde. In diesen Situationen sollten Mütter sich vertrauensvoll an eine Stillfachfrau wenden.

Der Abstillprozess beginnt langsam mit der Einführung der Beikost und je nach Freude am Essen und der Anzahl der Beikostmahlzeiten, reduziert sich entsprechend die Muttermilchmenge. Steht dem Baby nicht mehr ausreichend Muttermilch in der Brust zur Verfügung, kann es zum Abstillen kommen. Jedoch wird kein Kind freiwillig die sichere Nahrungsquelle aufgeben, wenn nicht ausreichend Alternativen zur Verfügung stehen. Zusätzlich entscheiden auch die individuellen Bedürfnisse des Kindes über eine Abstillbereitschaft.

Frühestens selbständig abstillen würde ein Baby mit dem vollendeten ersten Lebensjahr, aber auch dies nur in seltenen Fällen. Das physiologische Abstillalter liegt zwischen dem vollendeten 2. Lebensjahr bis hin zum 7. Lebensjahr. 

Stillen, solange es sich für Mutter und Kind gut anfühlt?

So lautet die Empfehlung und so macht es auch Sinn. Jede Mutter spürt, was ihr Kind benötigt und jede Mutter sollte uneingeschränkt, ohne Rechtfertigungsdruck, ihr Kind stillen können. Mütter, die einen Leidensdruck empfinden und das Stillen gern beenden möchten, dürfen dies ebenfalls , ohne ihre Entscheidung rechtfertigen zu müssen.

Frag eine Stillfachfrau, wenn Du unsicher bist und lass Dich unterstützen!

Ich wünsche Euch eine kuschelige Stillzeit,

Eure Nancy